Ein
Überblick über die Haftung im Pferderecht
Rechtsanwalt Torsten
Sonneborn
„Das Glück dieser
Erde
liegt auf dem Rücken der Pferde!“
Auch wenn man als
Pferdefreund und Reiter dieses Sprichwort sehr gut nachempfinden kann,
weiß man jedoch, dass Pferde mitunter auch unberechenbar sein
können und ständig eine – wenn auch nur
latente –
Gefahr von ihnen ausgeht. Der Gesetzgeber hat bereits bei
Einführung des am 01. Januar 1900 in Kraft getretenen
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Regelungen geschaffen, nach
denen
ein Tierhalter unter bestimmten Voraussetzungen für solche
Schäden haftet, die einem Dritten durch ein Tier entstehen
können. Indessen ist längst nicht jedem Tierhalter
die
Tragweite seiner Haftung bewusst. In besonderem Maße gilt
dies
nach wie vor für die Pferdehalter. Nachfolgend soll deshalb
unter
Hinweis auf die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen ein
kurzer
Überblick über die wichtigsten Fragen der
Pferdehalterhaftung
gewährt werden. Die damit verbundenen Informationen
berücksichtigen allerdings nicht die Besonderheiten konkreter
Sachverhalte und können somit keine individuelle
Rechtsberatung
ersetzen. Sollten also im Hinblick auf einen spezifischen Einzelfall
noch Fragen offen bleiben, so kann dieser Beitrag allenfalls dazu
dienen, den Gang des Ratsuchenden zum Rechtsanwalt zu erleichtern.
I. Der
Haftungsbegriff
Bei der Haftung eines Tierhalters unterscheidet das Gesetz
grundsätzlich zwei Haftungstypen, und zwar die vertragliche
und
die deliktische Haftung. Die deliktische Haftung, mit der sich dieser
Beitrag schwerpunktmäßig befasst, ist
abschließend in
den §§ 823 bis 853 BGB geregelt und besteht
verschuldensabhängig grundsätzlich gegenüber
jedermann.
Der Vorwurf des Verschuldens besteht immer dann, wenn eine Person
entweder die Ursache für einen Schadenseintritt gesetzt oder
nicht
das ihr Mögliche und Zumutbare getan hat, um den Eintritt
eines
Schadens zu verhindern.
II. Die
Tierhalterhaftung
Die Haftung des Tierhalters ist in § 833 BGB wie folgt
geregelt:
„Wird
durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper
oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache
beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält,
verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu
ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein
Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit
oder
dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der
Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung
dieser Sorgfalt entstanden sein würde.“
1.
Tierhalter
Tierhalter ist nach der Rechtsprechung derjenige, der die
Bestimmungsmacht über das Tier hat, aus eigenem Interesse
für
die Kosten des Tieres aufkommt, den allgemeinen Wert und Nutzen des
Tieres für sich in Anspruch nimmt und das Risiko seines
Verlustes
trägt. Die Tierhaltereigenschaft ist also nicht
zwingend mit der Frage
verbunden, wer Eigentümer des Tieres ist. Tierhalter ist
vielmehr
auch der, dem ein Tier zugelaufen ist (was bei Pferden heutzutage wohl
eher selten vorkommt), der es aber über einen
längeren
Zeitraum hinweg füttert und unterhält.
Dementsprechend
können durchaus auch Minderjährige Tierhalter sein.
Vom Tierhalter zu unterscheiden ist der Tierbetreuer, welcher, ohne
Tierhalter zu sein, für das Tier bestimmte Aufgaben
ausführt.
Für die Dauer der Betreuung treffen den Tierbetreuer die
gleichen
Verpflichtungen wie für den Tierhalter. Diese Pflichten sind
nur
im Innenverhältnis zum Tierhalter vertraglich abdingbar, nicht
aber gegenüber Dritten, die durch das betreute Tier
geschädigt werden.
2.
Schadensverursachung durch ein Tier
Nach § 833 BGB haftet der Tierhalter für den Schaden,
der
dadurch entsteht, dass der Körper, die Gesundheit oder Sachen
eines anderen Menschen durch sein Tier verletzt wird. Dies ist
regelmäßig dann der Fall, wenn sich eine spezifische
Tiergefahr verwirklicht hat, die auf die Unberechenbarkeit tierischen
Verhaltens zurückzuführen ist. Bei Pferden wird dies
von der
Rechtsprechung bejaht beim Scheuen, Durchgehen, Losreißen,
Ausschlagen, Beißen und dem Ausbrechen aus der Weide. Auch
die
sog. Hengstmanieren gehören hierzu, wobei
regelmäßig in
Betracht gezogen werden muss, dass von der die Reaktion
auslösenden Stute ebenfalls eine (mitwirkende) Tiergefahr
ausgegangen ist, so dass auch deren Halter haftet.
Umgekehrt ist § 833 BGB nicht anwendbar, wenn der Schaden von
einem unter menschlicher Leitung befindlichen Reitpferd verursacht
wird, das dem Willen des Reiters gehorcht, weil sich dann eben keine
spezifische Tiergefahr verwirklicht. In diesen Fällen kommt
lediglich eine Haftung des Reiters nach den allgemeinen Vorschriften
des Deliktsrechts (insbesondere § 823 BGB) in Betracht. Anders
sind hingegen wieder Fälle zu beurteilen, in denen sich das
Reitpferd trotz der vom Reiter ausgehenden Kontrolle
willkürlich
bewegt (z.B. plötzliches Losgaloppieren oder abruptes
Anhalten),
was oftmals durch akustische oder optische Reize (lautes Hundegebell,
flatternde Wäsche u.s.w.) hervorgerufen wird. Haben solche
äußeren Kräfte zu dem Schadensereignis
beigetragen, ist
eine Haftung gemäß § 833 BGB –
mangels
Verwirklichung einer spezifischen Tiergefahr – immer dann
ausgeschlossen, wenn dem Tier keine andere Möglichkeit als die
des
schädigenden Verhaltens bleibt. Im Bereich des Reitsport wird
man
dies beispielsweise zu bejahen haben, wenn das Pferd plötzlich
aufgrund eines unvorhersehbaren Hindernisses stolpert (vgl. Landgericht
Hagen, in: ZfS 2002, Seite 276). Schadensersatz kann dann –
wenn
überhaupt – nur von demjenigen verlangt werden, der
die
Entstehung dieses Hindernisses zu verantworten hat.
3.
Verschulden
Bei der Frage, ob und inwieweit die Haftung nach § 833 BGB ein
Verschulden des Tierhalters voraussetzt, unterscheidet das Gesetz
zwischen „Luxustieren“ und
„Nutztieren“.
a)
Nutztiere
Bei der in § 833 Satz BGB geregelten Haftung des
Nutztierhalters
wird das für die Haftung erforderliche Verschulden gesetzlich
vermutet.
Nutztiere sind Haustiere, die dem Beruf, der Erwerbstätigkeit
oder
aber dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt sind. Dazu
gehören auch Pferde, Maultiere und Esel, wenn ihre Haltung
spezifisch mit der Berufstätigkeit des Halters
zusammenhängt.
Dazu gehören Pferde eines Landwirts auch dann, wenn sie aus
Altersgründen oder wegen gesundheitlicher Beschwerden nicht
mehr
zur Arbeit eingesetzt werden. Nutztiere sind ebenso Ponys eines
gemeinnützigen Vereins, die für den
Kinderreitunterricht oder
das sog. therapeutische Reiten eingesetzt werden. Auch zur Zucht
gehaltene Pferde eines staatlichen Gestüts oder für
das
Training eingesetzte Pferde eines Trabertrainers sind Nutztiere. Nicht
dazu gehören hingegen zu Liebhaberzwecken gehaltene Rennpferde
oder Pferde eines Reitvereins, die hauptsächlich nur
Vereinsmitgliedern zur Verfügung stehen. Der Halter eines
Nutztieres kann die gesetzliche Verschuldensvermutung widerlegen, indem
er darlegt und beweist, dass er entweder bei der Beaufsichtigung des
Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat oder der
Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt auf jeden Fall entstanden
wäre.
Beispiel: Wird ein Wanderer durch ein aus der Weide ausgebrochenes
Schulpferd verletzt, so muss der Inhaber der Reitschule nachweisen,
dass er für eine intakte Absperrung der Weide gesorgt hat
(Gatter,
Tür, Zaun, Elektrozaun o.ä.).
b)
Luxustiere
Luxustiere im Sinne des § 833 Satz 1 BGB sind –
vereinfach
gesagt – alle Tiere, die keine Nutztiere sind.
Klassischerweise
gehört dazu das private Reitpferd. Der in dieser Hinsicht oft
mit
Vorwürfen (z.B. des Lebenspartners) konfrontierte
Freizeitreiter
muss sich also zu allem Überfluss auch vom Juristen sagen
lassen,
durch die Haltung des geliebten Vierbeiners einem luxuriösen
Hobby
zu frönen.
Haftungsrechtlich birgt dieser Luxus relativ große Risiken in
sich,
denn
§ 833 Satz 1 BGB begründet eine
verschuldensunabhängige
Gefährdungshaftung des Tierhalters. Dies bedeutet, dass der
Geschädigte vom Pferdehalter auch dann Schadensersatz
verlangen
kann, wenn dieser seine Sorgfaltspflichten geradezu vorbildlich
erfüllt hat. Infolgedessen ist höchste Vorsicht
geboten,
einem anderen Reiter das eigene Pferd aus Gefälligkeit zu
überlassen. Kommt es dabei zu einem Reitunfall, etwa weil das
geländeerprobte und als äußerst
gutmütig geltende
Pferd im Gelände plötzlich durchgeht und der Reiter
von einem
Ast erschlagen wird, so besteht für den Halter des
Freizeitpferdes
– anders als beim Nutztier (s.o.) – keinerlei die
Möglichkeit, einen Entlastungsbeweis zu führen.
4.
Mitverschulden
Der auf Schadensersatz in Anspruch genommene Pferdehalter kann sich
unter Umständen auf ein Mitverschulden des
Geschädigten oder
eines Dritten berufen und damit die Folgen seiner eigenen Haftung
mildern.
a)
Mitverschulden des Geschädigten
Trifft den Geschädigten ein Mitverschulden, so führt
dies
nach Maßgabe des § 254 BGB zu einer
Beschränkung der
Haftung, und zwar in der Form, dass ein eingetretener Sachschaden vom
Halter beispielsweise nur teilweise zu ersetzen ist.
Der häufigste Fall ist das Auftreten eines Reitfehlers des
geschädigten Reiters. Dabei muss der Reiter, der die Obhut
über das Pferd übernommen hat, die Vermutung gegen
sich
gelten lassen, dass ihn ein Verschulden trifft und dieses Verschulden
für den Schaden ursächlich geworden ist. Es obliegt
infolgedessen dem Geschädigten, diese Verschuldensvermutung zu
widerlegen. Im Falle eines Reitunfalls mit einem aus reiner
Gefälligkeit überlassenen Pferd kann demnach eine
Haftung des
Tierhalters wegen eines überwiegenden Mitverschuldens des
Reiters
entfallen. Daraus folgt, dass der Geschädigte, dem ein
Reitpferd
aus Gefälligkeit überlassen worden ist,
regelmäßig
die Hälfte seines Schadens selbst zu tragen hat, wenn sich
nicht
aufklären lässt, ob sein eigenes Verhalten zur
schadensstiftenden Reaktion des Pferdes geführt hat oder sich
die
typische Tiergefahr verwirklicht hat.
Von der Rechtsprechung wird gemäß diesen Regeln ein
Mitverschulden des Reiters schon dann bejaht, wenn dieser auf einem
unbekannten, jungen Pferd Schlaufzügel verwendet, ohne zu
wissen,
ob das Pferd auch Schlaufzügel gewohnt ist. Ein Fall des
Mitverschuldens liegt weiterhin vor, wenn ein erfahrener Reiter mit
einem zu geringen Sicherheitsabstand an der Hinterhand eines
austretenden Pferdes vorbeigeht oder sich ohne Not einem fremden Pferd
so weit nähert, dass er den Angriffs- und
Verteidigungsbewegungen
des Pferdes ausgesetzt ist.
Im Rahmen einer Mitverschuldensprüfung ist immer
abzuwägen,
wie schwerwiegend das Verschulden des Mitverursachers wiegt. Liegt im
Einzelfall ein überwiegendes Verschulden des
Geschädigten an
dem Schaden vor, kann dahinter die Haftung des Tierhalters mitunter
sogar vollständig zurücktreten. Insoweit gelten
ähnliche
Regelungen wie im Straßenverkehr: Die Verletzung eines
Reiters
durch den Hufschlag eines voran gerittenen Pferdes begründet
den
Vorwurf eines derart groben Eigenverschuldens wegen Nichteinhalten des
erforderlichen Sicherheitsabstandes, dass die Tierhalterhaftung
gänzlich ausscheidet.
b)
Mitverschulden Dritter
Soweit generell auch das Mitverschulden Dritter an einem Reitunfall in
Betracht zu ziehen ist, betrifft dies vornehmlich die Reitlehrer.
Stellt man auf die besonderen Gegebenheiten eines Reitunterrichts ab,
so darf nicht verkannt werden, dass das Reiten grundsätzlich
mit
Gefahren verbunden ist, ganz besonders mit der Gefahr des Sturzes.
Diese Gefahr kann – auch bei Beobachtung sämtlicher
Sorgfaltspflichten in optimaler Weise – nicht in jedem Fall
ausgeschlossen werden, weshalb das Tragen einer Schutzkappe zur
unbedingten Pflicht gehört. Hierauf hat ein Reitlehrer
demgemäß zu achten. Hat er entsprechend belehrt und
zeigt
sich der Reitschüler dennoch uneinsichtig, etwa weil er
derartige
Kopfbekleidung für unschicklich hält, so entbindet
dies den
Reitlehrer im Einzelfall von einer entsprechenden Haftung.
Die mit dem Reiten zusammenhängenden Gefahren sind
naturgemäß besonders groß beim Erlernen
des Reitens,
so dass vom Reitlehrer auch die Erfüllung weiterer
Sorgfaltspflichten zu verlangen ist. Ausreichend ist aber die Wahrung
der Sorgfaltspflichten, wie sie sich für einen allgemein
üblichen, ordnungsgemäßen Reitunterricht
entwickelt
haben. In diesem Rahmen sind Reitunfälle nicht
auszuschließen; der Reitunterricht muss allerdings so
organisiert
und durchführt werden, dass die Reitschüler nicht in
stärkeren Maßen gefährdet werden, als dies
bei jedem
Reitunterricht naturgemäß der Fall ist.
5.
Sonderfälle
Haftungsrechtliche Sonderfälle ergeben sich insbesondere dann,
wenn eine Reitbeteiligung oder ein Hufschmied durch das Pferd des
Tierhalters zu Schaden kommen.
a)
Reitbeteiligung
Nach Auffassung der Rechtsprechung erwirbt die Reitbeteiligung, die das
Pferd regelmäßig und gegen Kostenbeteiligung reitet,
eine
selbstständige Mithaltereigenschaft, was automatisch zu einer
Einschränkung der Tierhalterhaftung führt. Jedoch
kann sich
der Tierhalter trotzdem gegenüber einer Reitbeteiligung
haftbar
machen, soweit der Reiter gegenüber dem Tierhalter den
Nachweis
erbringt, dass das Unfallereignis in keinem Zusammenhang mit einem
Reiterfehler oder sonstigem Fehler beim Umgang mit dem Pferd steht
(vgl. Landgericht Gießen, Urteil vom 16.12.1998 – 2
O
384/98).
b)
Hufschmied
Die Haftung des Tierhalters für sein privates Pferd besteht
auch
gegenüber dem Hufschmied (vgl. Landgericht Aachen, Urteil vom
17.03.1995 – 9 O 382/94). In der Regel wird von der
Rechtsprechung insoweit kein stillschweigender Haftungsausschluss zu
Gunsten des Halters
angenommen.
Selbst der Verzicht eines Hufschmiedes auf den Einsatz eines vom
Pferdebesitzers besorgten Beruhigungsmittels, rechtfertigt noch nicht
die Annahme
eines stillschweigenden Haftungsausschlusses (Landgericht Aachen,
a.a.O.).
6.
Haftungsausschluss
Ein Ausschluss der Haftung des Tierhalters gemäß
§ 833
BGB kann sich entweder aus den besonderen Umständen des
Einzelfalls oder aus einer vertraglichen Vereinbarung ergeben.
a)
Einzelfall
Nach dem Schutzzweck des § 833 BGB kann eine Haftung im
Einzelfall
auch ohne eine dahingehende vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen
sein, wenn sich der Reiter bewusst einem Risiko ausgesetzt hat, dass
über die gewöhnlich mit einem Ritt verbundenen
Gefahren
hinausgeht. Von der Rechtsprechung bejaht wurde dies in
Fällen, in
denen sich Reiter das Pferd vom Halter erbittet, um diesem seine
(angeblich) bessere Reitkunst zu beweisen. Unter dem Gesichtspunkt des
„Handelns auf eigene Gefahr“ scheidet eine Haftung
zudem
aus, wenn der Reiter ein erkennbar böses Pferd
übernimmt oder
mit dem Pferd des Halters an gefährlichen
„Reitsport“-Veranstaltungen teilnimmt (Fuchsjagd,
Stafettenzeitspringen etc.).
Die Haftung des Tierhalters aus dem Gesichtspunkt des "Handelns auf
eigene Gefahr" ist nur dann zu verneinen, wenn der Reiter sich mit der
Übernahme des Pferdes einer besonderen Gefahr aussetzt, die
über die normalerweise mit dem Reiten verbundene Gefahr
hinausgeht. Das kann – unabhängig von den
vorgenannten
Fällen – auch dann der Fall sein, wenn das Tier erst
zugeritten werden muss.
b)
Vertrag
Ein ausdrücklich vertraglich vereinbarter Haftungsausschluss
ist zulässig.
Hingegen ist ein stillschweigend vereinbarter Haftungsausschluss nur
selten anzunehmen. Grundsätzlich ist nämlich davon
auszugehen, dass der freiwillige Nutzer eines Tieres eben nicht auf den
Schutz des Deliktsrechts verzichten will. Kennt der Nutzer aber die
besonderen Risiken des Tieres (Beispiel: Der Reiter weiß,
dass
das von ihm gerittene Pferd störrisch ist), so kann
ausnahmsweise
doch von einem stillschweigenden Haftungsausschluss ausgegangen werden.
Wegen der zahlreichen Unwägbarkeiten, die mit der Annahme
eines solchen
stillschweigenden Haftungsausschlusses zwangsläufig verbunden
sind, empfiehlt sich aus Sicht des Pferdehalters auf jeden Fall der
Abschluss einer schriftlichen
Haftungsfreistellungsvereinbarung.
6.
Haftungsumfang
Der Halter eines Tieres ist nach § 833 BGB
grundsätzlich
verpflichtet ist, alle Personen- und Sachschäden zu ersetzen,
die
sein Tier einem anderen zugefügt hat, und zwar
einschließlich
eines
unter Umständen vom Geschädigten zu beanspruchenden
Schmerzensgeldes. Diese Schadensersatzpflicht ist der Höhe
nach
nicht betragsmäßig begrenzt. Dies hat zur
Konsequenz,
dass
der Pferdehalter
mit seinem gesamten Vermögen (!) in Höhe des
nachweisbar
eingetretenen Schadens haftet.
7.
Beweislastverteilung
Im Streitfall muss der Geschädigte die Haltereigenschaft des
Anspruchsgegners beweisen. Ferner obliegt im der Nachweis, dass der
Schaden durch das Tier entstanden ist und sich eine spezifische
Tiergefahr verwirklicht hat.
Dem in Anspruch genommene Pferdehalter obliegt der
gemäß
§ 833 Satz 2 BGB zu führende Entlastungsbeweis.
Dieser
Entlastungsbeweis kann nicht bereits durch den Nachweis der allgemeinen
Friedlichkeit des Pferdes erbracht werden. Gegenüber
Vertragspartnern (Entleiher etc.) kehr sich allerdings die Beweislast
insoweit um, als dieser entweder die gehörige
Erfüllung
seiner vertraglichen Pflichten bei Verrichtung an und mit dem Reitpferd
zu beweisen hat oder dass der Schaden auch ohne sein Verschulden
entstanden sein würde.
III.
Die Haftung des Tieraufsehers
Die Haftung des Tierhüters regelt das BGB neben der Haftung
des Tierhalters in § 834 BGB:
„Wer
für denjenigen, welcher ein Tier hält, die
Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag
übernimmt, ist für den Schaden verantwortlich, den
das Tier
einem Dritten in der im § 833 bezeichneten Weise
zufügt. Die
Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung
der
Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der
Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein
würde.“
Die Tierhüterhaftung geht also ebenfalls von einem vermuteten
Verschulden des Tierhüters mit der Möglichkeit eines
Entlastungsbeweises aus und wird durch Vertrag begründet.
Dabei
ist auch ein stillschweigender Vertragsschluss (z. B. Übergabe
des
Pferdes zur Verwahrung) möglich. Der Vertrag muss auf die
selbständige Führung der Aufsicht über das
Tier
gerichtet sein, was z. B. bei Hirten, Transportbegleitern oder
Pensionswirten regelmäßig der Fall ist. Keine
Tierhüter
sind aber Bedienstete, die nur auf Anweisung handeln, z. B. Kutscher.
Ferner wird keine Tierhütereigenschaft begründet
durch
lediglich kurzfristiges tatsächliches Beaufsichtigen eines
Tieres.
Hier mangelt es bereits an einem Vertrag, der auf die
Übernahme
einer selbständigen und allgemeinen Aufsicht über das
Tier
gerichtet ist. Reitschüler, Pferdepfleger, Tierärzte
und
Hufschmiede sind in der Regel nicht als Tierhüter anzusehen.
Die
Tierhütereigenschaft kann aber begründet werden, wenn
der
Tierhalter einem Dritten sein Tier für längere Zeit
(z. B.
bei einer längeren Auslandsreise) zur Obhut
überlässt.
Die Anforderungen an den Entlastungsbeweis sind beim Tierhüter
ebenso wie beim Tierhalter verhältnismäßig
hoch.
IV.
Versicherungen
Von der Versicherungswirtschaft werden „rund ums
Pferd“
verschiedenste Versicherungen angeboten, welche sich – je
nach
Gesellschaft – auch preisoptimiert zu Versicherungspaketen
zusammenstellen lassen. Es folgt ein Überblick über
die
wichtigsten Vertragstypen.
1.
Tierhalterhaftpflichtversicherung
Da Pferde ganz erhebliche Schäden anrichten können,
ist
jedem
Pferdehalter dringend anzuraten, zumindest eine
Tierhalterhaftpflichtversicherung abzuschließen. Der
Versicherungsschutz umfasst nur die Schadensersatzansprüche
Dritter
aufgrund gesetzlicher Haftungsbestimmungen.
Eine dritte Person in diesem Sinne ist auch derjenige Reiter, der das
Pferd gelegentlich unentgeltlich bewegt. Im Gegensatz zu Dritten
erwirbt hingegen eine ständige Reitbeteiligung
Haltereigenschaften
am Pferd, so dass grundsätzlich kein Versicherungsschutz
besteht.
Die meisten Versicherungsgesellschaften bieten jedoch die
Möglichkeit an, die Reitbeteiligung in den bestehenden Vertrag
als
mitversicherte Person einzuschließen. Dies erfordert jedoch
eine
entsprechende schriftliche Anzeige gegenüber der Versicherung.
Der Versicherungsnehmer selbst, also der Pferdehalter, und
mitversicherte
Personen (z.B. Reitbeteiligungen) können aus der
Tierhalterhaftpflichtversicherung
keine
Ansprüche für eigene Schäden geltend machen.
Dies hat
zur Folge, dass Schäden der Reitbeteiligung wie
Eigenschäden
zu werten sind, welche selbst zu tragen sind.
Die mitversicherte Reitbeteiligung wird übrigens für
den Fall, dass
einem
Dritten ein Schaden durch einen Reitfehler der Reitbeteiligung
entsteht, nicht in Regress genommen.
2.
Unfallversicherung
Gegen die Eigenschäden, die durch einen Reitunfall entstehen
können, kann sich der Halter eines Pferdes nur durch den
Abschluss
einer Reiterunfallversicherung absichern. Sofern es sich nicht um eine
berufs- oder erwerbsmäßige Tätigkeit
handelt, sind alle
Unfälle versichert, welche die versicherte Person beim Reiten,
Auf- und Absitzen, der Führung eines Pferdes am
Zügel, sowie
anlässlich der Pflege und Versorgung eines Pferdes erleidet.
Auch
für Reitlehrer werden von einigen Versicherungen
maßgeschneiderte Unfallversicherungspakte angeboten, jedoch
nur
gegen Zahlung eines deutlich höheren Beitrages.
Die vereinbarten Leistungen (z.B.
Invaliditätsentschädigung,
Krankenhaustagegeld u.s.w.) kommen im Schadensfall auch der
Reitbeteiligung zugute, wenn diese der Versicherung als mitversicherte
Person gemeldet wurde.
3.
Pferdehalter-Rechtsschutzversicherung
Daneben werden auch spezielle Pferdehalter-Rechtsschutzversicherungen
angeboten, über die der Pferdehalter dann – je nach
Versicherungsvertrag – gegen folgende Risiken versichert ist:
Schadensersatz-Rechtsschutz, Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht,
Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht.
4.
Weitere Versicherungen
Beim Abschluss einer Pferdekrankenversicherung erhält der
Pferdehalter einen bestimmten Zuschuss zu den anfallenden ambulanten
und stationären Behandlungskosten, meistens aber nur auf der
Grundlage eines einfachen Satzes der Gebührenordnung
für
Tierärzte.
Da ein Reitunfall nicht nur für den Reiter sondern auch
für
das Pferd tödlich enden kann, ist grundsätzlich
daneben auch
der Abschluss einer Pferdelebensversicherung in Betracht zu ziehen.
Abgesichert sind regelmäßig folgende Risiken: Tod,
Nottötung, Diebstahl, Raub und Abhandenkommen des Pferdes. Die
Höhe des Versicherungsbeitrages ist abhängig vom Wert
des
versicherten Tieres und von der Einsatzart (Reit-, Aufzucht- oder
Ausbildungspferd).
Die Veranstalter von Reitturnieren oder Pferdeausstellungen
können darüber hinaus noch
individuell auszuhandelnde Betriebshaftpflichtversicherungen
abschließen. Für im Vereinsregister eingetragene
Reitvereine werden zudem von
einigen
Versicherungsgesellschaften auch sog.
Vereinshaftpflichtverträge
angeboten.
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